Digitalisierung im Bauwesen: Evolution oder Revolution des Planens und Bauens
Kongress, 20. Februar 2018
Am 20. Februar 2018 widmeten sich im Palais am Funkturm Referenten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mit Vorträgen und Diskussionen dem fundamentalen Wandel der Planungs- und Bauprozesse in den kommenden Jahren durch die voranschreitende Digitalisierung. Über 240 Teilnehmer waren der Einladung zum Kongress gefolgt. Mit Erfahrungsberichten aus der Praxis von Planungsbüros, Einblicken in laufende Pilotprojekte sowie Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung wurden die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für alle an der Wertschöpfungskette Bau Beteiligten aufgezeigt.
Der Kongress wurde von Monika Thomas, Leiterin der Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten im Bundesbauministerium, eröffnet. In ihrer Eröffnungsrede führte sie aus, dass die Digitalisierung des Bauwesens zwar ein Herausforderung für die Branche sei, aber vor allem auch eine Chance, mit der zentrale gesellschaftliche Herausforderungen wie Energiewende, Klimaschutz und demografischer Wandel bewältigt werden können. Die bewährten rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die für die Qualität und den Erfolg deutscher Baukultur verantwortlich sind, werden als Leitplanken für die Digitalisierung gebraucht, damit die Digitalisierung erfolgreich und gewinnbringend für die gesamte Branche wirken könne. Diesbezüglich betonte sie die Bedeutung der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der planenden und bauausführenden Büros und Unternehmen, die Wahrung der Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen, die offenen Standards und produktneutralen Bauteildaten, als auch die Einhaltung der vergaberechtlichen Grundsätze.
Dr. Robert Kaltenbrunner, stellvertretender Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), führte anschließend in seinem Vortrag aus, dass die Digitalisierung Teil eines vielfältigen Transformationsprozesses sei, der auch das Bauwesen betrifft. Bislang seien entsprechende Technologien und Methoden nur in den seltensten Fällen im Baubereich selbst entstanden, sondern wurden im Regelfall ausanderen Branchen übertragen. Er betonte, dass es bei der Digitalisierung nicht nur um BIM gehen würde, sondern beispielsweise auch um Robotik. Die Möglichkeiten und Potenziale der digitalisierten Bauwerksherstellung scheinen noch nicht erfasst worden zu sein. Eine Vernetzung dezentraler Produktionsstätten untereinander wie auch mit Abnehmern könne eine hohe Spezialisierung der Einzelanbieter mit einer gleichzeitigen robusten Auslastung der Anlagen ermöglichen. Solche Entwicklungen müssen durch Forschung begleitet und, im gesellschaftlichen Interesse, kanalisiert werden. Eine zentrale Voraussetzung dafür sei, dass die Baubranche eine Vision von der eigenen Zukunft entwickelt.
Dr. Alexander Rieck, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, gab einen Ausblick auf die sich ändernden Planungs- und Bauprozesse im Zuge der Digitalisierung des Bauwesens. Er stellt die absehbaren erheblichen Veränderungen aller gesellschaftlichen Bereiche durch die Innovationen digitaler Techniken dar. Diese würde jedoch nicht mit Blick auf die Baubranche entwickelt, gleichwohl diese aber massiv verändern. So sei das Smartphone weder für noch mit Blick auf die Baubranche entwickelt worden, hätte diese aber bereits jetzt massiv verändert.
Im Anschluss widmeten sich Referentinnen und Referenten den einzelnen Teilbereichen der Digitalisierung im Bauwesen. Beleuchtet wurden im Themenbereich Digitale Fertigung unter anderem die Chancen und Lösungsansätze der Robotik, Automation und Vorfertigung zur Bewältigung von Herausforderungen wie z. B. Wohnungsengpässe in Ballungsregionen, bezahlbares Bauen und Wohnen, Baumängel, Bauverzögerungen, Baukostenüberschreitungen und Fachkräftemangel. Prof. Dr.-Ing. Thomas Bock zeigte internationale Beispiele für den Robotereinsatz in der Vorfertigung, vor Ort, im Gebäudebetrieb und dem nachhaltigen Um- und Rückbau. Außerdem erläuterte Prof. Achim Menges anhand von zwei Pilotprojekten, dass durch einen systematischen, ganzheitlichen und integrativen computerbasierten Ansatz die methodischen Grundlagen für eine umfassende Modernisierung des Bauwesens gelegt werden können.
Als Schwerpunkt im Themenbereich Digitales Planen behandelten die Referentinnen und Referenten die Implementierung der Methode des Building Information Modeling (BIM) in Planungs- und Bauprozesse als auch deren konkreter Mehrwert für Planungsbüros. Ajna Nickau, DhochN Digital Engineering GmbH, betonte die vielfältigen Möglichkeiten von BIM. Auch Wilhelmina Katzschmann, Vizepräsidentin der Ingenieurkammer Rheinland- Pfalz unterstrich, dass die BIM-Planungsmethode eine der größten Chancen der Baubranche darstelle. Matthias Reif berichtete anhand von konkreten Beispielen aus dem öffentlichen Hochbau über seine Erfahrungen. „BIM einfach machen“ ist sein Fazit. Andreas Thun, Vorsitzender der GF Berliner Luft Technik GmbH skizzierte die Herausforderungen von BIM aus Sicht eines Herstellers von TGA-Produkten. Digitale Modelle zur Zusammenarbeit von Planern, Herstellern und Ausführenden stellte Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Huhnt, TU-Berlin vor. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass sich weder planende Berufe noch ausführende Firmen und ebensowenig Produkthersteller und Bauherren dem digitalen Wandel im Bauwesen entziehen können. Dies griff die abschließende Podiumsdiskussion auf. Die Teilnehmer betonten, dass die Technik zwar vermeintlich im Vordergrund stehe, es aber vielmehr um sich ändernde Prozesse und vor allem um die Zusammenarbeit der am Bau Beteiligten gehe. Für eine erfolgreiche Digitalisierung sei es entscheidend, wie sie implementiert würde. Es müssen praxisorientierte Methoden und Prozesse implementiert werden, bei der alle mitgenommen werden.